Unterwegs mit Fremden?
Wer kommt mit? Auf zwei Schweizer Onlineplattformen verabredet man sich mit fremden Leuten, um zusammen etwas zu unternehmen. Funktioniert das?
Wer die Gratis-App Spontacts heruntergeladen hat, muss sich mit Name, Mail und Passwort anmelden.
Bei Spontacts ist einiges los: Simone sucht Leute, die mit ihr schlitteln kommen. Jay möchte mit Gleichgesinnten auf die Skipiste. Und Thomas plant eine Schneeschuhtour bei Vollmond. Andere Nutzer planen, durch die Stadt zu tingeln: Nico will mit Fremden festen gehen. John lädt bereits zum 18.Mal in eine besonders schöne Bar ein. Und Brit fahndet nach Krimifans, die sie zu einer Philip-Maloney-Lesung begleiten. Weitere Nutzer ziehts in die Ferne: Peter und Jan versuchen, Gruppen für ihre Asien-Reisen zusammenzutrommeln.
Sich spontan verabreden – das kann man sowohl mit den Smartphone-Apps des Zürcher Start-ups Spontacts als auch auf der von Bernern entwickelten Website Gonnado: Man schreibt öffentlich aus, was man zu unternehmen gedenkt. Andere Nutzer, die ähnliche Interessen haben, erhalten die Annonce zugestellt und können sich einschreiben.
Spontan gestaltete Freizeit
«Egal, wo man gerade ist: Nun findet man rasch Leute mit ähnlichen Interessen», sagt Christoph Seitz, Geschäftsführer von Spontacts. Die Nutzerrückmeldungen zeigten: «Eine spontane Art der Freizeitgestaltung trifft den Nerv der Zeit.» Auch Samuel Maeder, Gründer von Gonnado aus Bern, ist überzeugt, dass es neue Hilfsmittel zur Freizeitgestaltung braucht. «Gefragt ist eine personalisierbare Ausgehplattform, über die die Nutzer miteinander kommunizieren können.»
Das Zürcher und das Berner Start-up sind zwar in einem ähnlichen Bereich tätig, haben aber andere Ansätze gewählt: Spontacs soll laut Christoph Seitz zum «Doodle für spontane Freizeitaktivitäten» werden. Derzeit lebt die Plattform stark vom Engagement der Nutzer; erst allmählich werden mehr kommerzielle Angebote eingebunden. Gonnado hingegen versucht, mit Events von sich reden zu machen und so rasch zu wachsen: im Sommer mit dem Aareböötle-Weltrekord und Ende Jahr mit «Fotomarathons» in diversen Städten. Nach und nach würden sich die Teilnehmer in einer Onlinegemeinschaft – einem «Freizeit-Facebook» – formieren, hofft Maeder.
Auf Spontacts greift man per Smartphone zu. So können spontan Treffen arrangiert oder umorganisiert werden. Gonnado hingegen ist primär eine Website; eine iPhone-App befindet sich aber in der Testphase. Gemeinsam ist den Firmen, dass sie sich durch Werbung und Provisionen bei Events zu finanzieren gedenken. Das brauche aber Zeit, sagen die Jungunternehmer: Beide suchen Investoren. Insbesondere auch, weil sie den Schritt ins Ausland wagen wollen, bevor sich ein Konkurrent etablieren kann.
Interessant oder gefährlich?
Diese neuen Ideen zur Freizeitgestaltung sind spannend. Doch funktionieren sie auch wirklich? Wer ist schon so waghalsig, sich mit Fremden zu verabreden? Was erlebt man bei solchen Treffen? Und worauf sollte man achten?
Sie habe mit Spontacts sehr gute Erfahrungen gemacht, sagt Sylvia, die sich auf unseren Aufruf gemeldet hat. Sie erzählt von einem Jazzkonzert, das sie mit anderen Nutzern besucht hat, von Kino- und Theaterbesuchen sowie von einem Jogging-Grüppchen, das sich über die Plattform formiert hat. Sie habe viele gute Gespräche geführt. Fast alle Leute, die sie getroffen habe, seien ihr sympathisch gewesen: Aufgeschlossene, aktive, gut vernetzte Leute habe sie kennengelernt, keine Eigenbrötler. Eine Person sei neu hierher gezogen und habe die Plattform genutzt, um schneller Anschluss zu finden.
«Doch ich war auch schon nahe daran, mein Profil zu löschen», fährt Sylvia fort. Grund dafür seien einige Männer, die Spontacts als Dating- oder gar als Seitensprungportal missbrauchen. Sie zeigt auf ihrem Smartphone eine eindeutige Direktnachricht. Und sie erzählt von Männern, die vor dem Besuch einer kulturellen Veranstaltung ein Foto oder Angaben zu ihrem Alter und ihren Körpermassen anforderten. Einer habe versucht, den geplanten Feierabenddrink aus der Bar in die eigenen vier Wände zu verlegen.
Sorglose junge Nutzer
Deshalb rate sie zu einer gesunden Portion Vorsicht beim Abmachen mit wildfremden Leuten, sagt sie. Sie staune manchmal, wie sorglos sich einige der teils jungen Nutzer verabredeten. Teils vereinbarten sie im Chat sogar, gemeinsam auf Fernreisen zu gehen.
Christoph Seitz kennt das Problem. «Spontacts ist ein Tool, um die Freizeit zu organisieren», stellt er klar. «Die ‹Dater› dürfen nicht überhandnehmen.» Deshalb kontrolliere sein Team die Annoncen und sperre wenn nötig Nutzer. Für Leute mit Dating-Absichten soll zudem ein separater Kanal geschaffen werden.
«Im Allgemeinen funktioniert die spontane Freizeitgestaltung aber erstaunlich gut», sagt Christoph Seitz. «Und das, obwohl die Schweizer nicht gerade für ihre Spontanität bekannt sind.» Auch Samuel Maeder von Gonnado ist überzeugt, dass mehr Leute die neuen Möglichkeiten entdecken werden. «In Zukunft werden wir die Freizeit ganz anders organisieren als heute.» (Tages-Anzeiger) Unknown.jpeg
https://www.spontacts.com
https://www.tagesanzeiger.ch/digital...story/18230724
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