Der SWR findet, dass man die Öffentlichkeit dieser Tage ruhig einmal darauf aufmerksam machen kann, wie lange es den "Tatort" vom Bodensee jetzt schon gibt, zehn Jahre nämlich. In der Pressemappe zum Jubiläumsfall "Nachtkrapp", der am Sonntag läuft, werden drei der angeblich häufigsten Zuschauerfragen ("Welcher war Klaras schwerster Fall?") beantwortet, wobei das bemerkenswerte Kunststück gelingt, auf langweilige Fragen noch langweiligere Antworten zu geben.

Man erfährt, dass die Zuschauer verhältnismäßig wenig vom Privatleben des Ermittlerduos Klara Blum und Kai Perlmann mitbekommen, "weil dafür keine Zeit ist, wenn die Leiche angestrandet ist und gerade einmal 90 Minuten verbleiben, um einen Mörder zu stellen". Eine ganz schlimme Antwort eigentlich; langweilig, wie gesagt, aber fast schon aufschlussreich.

Wir hätten, um ganz sicher zu gehen, auch einige Fragen an das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen, dem ohne Frage ein ordentlicher Etat für seine renommierte Krimireihe zur Verfügung steht: Warum ist der "Tatort" manchmal so unglaublich fad, vorhersehbar, töricht und belanglos, also schlechteste Unterhaltung? Und warum ist ausgerechnet der Geburtstags-"Tatort" vom Bodensee so bodenlos? Gibt es etwa zu wenig wirklich gute Drehbuchschreiber?

Wären die besser, jedenfalls, dann gäbe es in anderthalb Stunden auch genug Platz, um einen interessanten Fall, der etwas über unsere Gegenwart erzählt, und gleichzeitig das Privatleben der Kriminaler, das ebenfalls etwas über unsere Gegenwart erzählt, auszugestalten und auf den Bildschirm zu bringen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Privatleben des Kommissars, wenn es ökonomisch verwendet wird, einem "Tatort" Würze geben kann. Im Falle von "Nachtkrapp", dem neuen Fall von Blum und Perlmann (dargestellt von Eva Mattes und Sebastian Bezzel), ist dies aber ohnehin unerheblich - der ganze Plot ist, vorsichtig ausgedrückt, keine Meisterleistung.

Es geht um eine länger zurückliegende Mordserie an Jugendlichen, die nach dem Mord an dem kleinen Beat erneut aufflammt. Der Junge war mit einer Schweizer Jugendgruppe in einem Schullandheim auf der anderen Seite des Bodensees, sein Missbrauch und sein Tod erinnern an ähnliche Fälle, die schon etwas her sind.

Während über dem Bodensee, na klar, beständig ein dunstiger Nebel steht, müssen sich Blum/Perlmann zum einen mit dem schweizerischen Kollegen Matteo Lüthi herumschlagen, der eher so der Typ Einzelkämpfer ist. Zum andern muss Beats Freund Moritz beschützt werden, der beharrlich an das nächtliche Schreckgespenst glaubt, den "Nachtkrapp", und immer noch im Visier des frei herumlaufenden Mörders ist. Und dann ist da noch der gerade aus dem Knast entlassene, verurteilte Kinderschänder, der nun, genauso wie der Sohn der Herbergsfamilie und der Diakon, der die Jugendgruppe betreute, unter Verdacht steht und Rachegelüste gegenüber der Blum hegt.

Es ist alles mit dabei, was bezüglich der Krimireihe zuletzt für großen Überdruss gesorgt hat: Stereotypen wie der Futterneid unter Kollegen, diesmal wieder in seiner besonders schönen Ausprägung mit bilateralem Kompetenzgerangel zwischen Schweizern und Deutschen. Dann das überstrapazierte Thema des Kindesmissbrauchs, des Kindesmords, das einem permanent im "Tatort" um die Ohren gehauen wird. Fällt den Skriptschreibern nichts mehr ein, als immerzu eine der abgründigsten Seiten einer Gesellschaft zu zeigen, in der die Gestörten die Unschuldigen morden? Nur weil das Entsetzen dann reflexartig einsetzt?

Der Bodensee-Triebtäter holt sich seine Opfer aus Zeltlagern und Landschulheimen. Darin erinnert er an den als "Maskenmann" bekannt gewordenen Sexualstraftäter, der in Norddeutschland sein Unwesen trieb. Unbedingt zitiert werden muss auch das schlechte Image der katholischen Kirche. Könnte ja sein, dass sich der Diakon an den Buben vergreift.

Beim 23. Blum-Fall weiß man übrigens nach 20 Minuten, wer der Täter ist: Da bleibt die Kamera eine Idee zu lange auf dem Gesicht einer Figur. Muss auch nicht sein. Am enervierendsten ist jedoch das Messer an der Kehle der Kommissarin (bildlich gesprochen). Wie viele ihrer "Tatort"-Kolleginnen muss nun auch Eva Mattes das gefährdete Weibchen geben. Sie wird Opfer einer Entführung. Dabei war die Blum doch schon schlecht gelaunt, bevor sie der ebenfalls stinkstiefelige Ex-Häftling vor der Nase ihres saumseligen Kollegen Perlmann einkassierte: Frau Kommissarin musste mal wieder des Nachts verhören. Harte Zeiten am Bodensee.

Quelle: abendblatt

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